die RATTENstory


foto-30-i-40x-dierattenstoryEs ist schon eine Weile her, ich war gerade mal 5 Jahre alt, als meine Eltern und ich wieder einmal Urlaub auf dem Bauernhof machten. Es war die Familie Aumund von Bremen Oberneuland, die uns – wie viele Jahre zuvor – einen erholsamen Aufenthalt bot. Urlaub auf dem Bauernhof war für Kinder damals wie heute eine abenteuerliche Angelegenheit. Da gab es viele Tiere, fruchtbare Wiesen, Heuböden, Pferdeställe die für Abwechslung sorgten. Ein Bauernhof für Kinder der reinste Abenteuerspielplatz. Zu damaliger Zeit gab es noch keine Smartphones oder Videospiele, geschweige denn Fernseher oder Vergnügungsparks als Ausflugsziel. Dennoch hatten wir Kinder keinen langweiligen Alltag und hatten auch kein Verlangen nach anderen Dingen. Wir Kinder waren zufrieden mit dem, was der Tag und auch ein einfacher  Urlaub auf dem Bauernhof eben bot. foto-30-i-34x-dierattenstory

Ich selbst habe mich damals damit unterhalten, mit den anderen Kindern auf dem Heuboden herumzutoben, Verstecken zu spielen, oder – wenn ich mal alleine war – Blumen zu pflücken, die ich dann verschenkte. Vielleicht ist das der Grund, dass ich heute gerne Blumen fotografiere. Die Pflanzen, die sich zur Zierde um den Hof herum befanden, mussten hin und wieder gegossen werden. Diese Aufgabe übernahm ich gerne und füllte eine kleine Gießkanne mit Wasser aus einem großen Weidenfass, das sich vor dem Pferdestall befand. Die Pferde, die Abends in den Stall geführt wurden, löschten stets ihren Durst aus dieser Regentonne.

Eines Tages – es war ein heißer Sommer – war der Wasserspiegel in der Tonne schon sehr niedrig und ich musste mich tief und tiefer in die Tonne beugen, um meine Gießkanne zu befüllen. Plötzlich verlor ich den Halt und rutschte kopfüber in die Tonne. Ich war zu klein und zu leicht um die Tonne mit Schaukelbewegungen umzuwerfen und meine Beine zappelten hilflos hin und her, was mir allerdings wenig nützte. Dann verlor ich irgendwann das Bewusstsein, denn ich war am Ertrinken. Ich verstand überhaupt nicht, was los war, denn als ich wieder aufwachte lag ich klitschnass auf dem Bett. Meine Mutter, die wieder einmal einen hysterischen Anfall bekam, schimpfte mit mir herum und machte mir Vorwürfe, anstatt froh zu sein, dass ich überhaupt noch lebte.foto-30-i-36x-dierattenstory

Erst später erzählten mir meine Kumpels, dass ich knapp am Tod vorbeigeschrammt bin und mich der Seniorbauer rettete, der meine zappelnden Beine gerade noch entdeckt hatte, die mittlerweile kraftlos an der großen Regentonne herunterhingen. Blitzschnell zog er mich heraus und trug mich zu meiner Mutter. Er hatte mir das Leben gerettet.

Und nun wollt ihr sicherlich wissen, warum es sich hier um eine Rattenstory handelt und ich Ratten absolut nicht mag. Nun, der Lebensretter hatte auf seinem Hof mit einer Rattenplage zu kämpfen und wurde ihr trotz vieler Köder, Fallen und Gifte nicht Herr. Jedes Mal, wenn er eine Ratte entdeckte, hat er sie aus Frust mit der Mistgabel attackiert, obwohl das natürlich wenig nützte. Eines Tages wurde er jedoch mit dem Rattenboss konfrontiert, der sich von der Mistgabel nicht beeindrucken ließ und zum Angriff überging. Die dicke Bossratte kratzte ihn am Knöchel, kroch im Hosenbein nach oben und biss ihm in die Leiste. Zwei Bosse trafen aufeinander und der Boss vom Bauernhof war wider Erwarten der Verlierer, denn er zog sich eine lebensbedrohliche Blutvergiftung zu, an der er auch wenige Tage später verstarb. Das nennt man Schicksal! Er hat ein Leben geschenkt und sein eigenes dafür einbüßen müssen. Sehr traurig, finde ich, aber ich war damals ja noch sehr klein und hatte mein ganzes Leben noch vor mir und der Bauer war schon sehr alt. Vielleicht aus dieser Perspektive betrachtet irgendwie doch gerecht, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Gerechtigkeit sprechen kann.foto-30-i-38x-dierattenstory

Nun werdet ihr sicherlich verstehen, warum Ratten nicht unbedingt zu meinen Favoriten gehören, obwohl es auch nützliche Geschöpfe und manchmal sogar echt hübsch anzuschauen sind. Nicht unbedingt so, wie die abscheulichen Wasserratten, die ich im Spreewald fotografiert habe.

foto-71c-44-dierattenstoryUnd die Moral von der Geschicht´,
krabbelt es am Beine nicht,
lass die Hose ruhig an,
denn dann ist keine Ratte dran.
Wenn´s jedoch am Beine kratzt
und die Hose bald platzt;
lass die Ratte schnell raus,
und mach ihr den Garaus.

22 Gedanken zu “die RATTENstory

      1. O.k., o.k., dann will ich es mal glauben mit der Rennmaus. Lasse das Bild als Rattenfoto dennoch stehen; macht ja nichts.
        Yep, bin dem Bauern heute noch dankbar 🙂
        LG Alexander

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  1. decordoba1

    Ich mag die Ratten nicht. Sie leben in jeder Gemeinde im Abwasserkanal und kommen nachts auch heraus. Wenn die Häuselbesitzer einen Komposter im Garten stehen haben und dort Brot und Fleischreste kompostieren, kommen die Ratten und ernähren sich davon. In den Häusern sind sie heute seltener, weil es nicht genug Hohlräume gibt, in denen sie sich tagsüber verstecken können.

    Im Hotel – Hacienda Tropical – Dominikanische Republik, kamen hin und wieder die Ratten aus der WC-Schüssel. Sie hatten die Absperrungen im Kanalablauf nicht eingebaut, die man dort benötigt. Damit wollten sie die Verstopfung des Kanals vermeiden (wenn die Frauen diverse Sachen über das WC entsorgen).

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  2. „Nachts schlafen die Ratten doch“ (Borchert) – das kommt mir unweigerlich in den Kopf. Wir haben hier rund ums Haus und manchmal auch drinnen, leider, Ratten, von der netten Sorte wie auf dem unteren Foto, sie sind nicht besonders groß und sehr flink, störend vor allem weil sie alles annagen, auch die Kabel im Auto, wenn ich das Sprühen vergesse.
    Deine beiden miteinander verknüpften Geschichten sind schon sehr dramatisch, mannomann, du fast abgesoffen und der Lebensretter von der Ratte umgebracht.
    Heute tragen die Kids Helme und Weidentonnen kennen sie sicher nicht (ich auch nicht. Sind das besondere Regentonnen? Ich kenn die aus dunklem rissigem Holz mit Blechstreifen rundum)

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    1. Ratten als Hausbewohner sind in der Tat nicht angenehm. Wenn du wissen willst, wie der Sohn des Seniorbauern nach dem Tode seines Vaters Herr der Lage geworden ist, kannst du mich mal direkt anschreiben. Er hat eine sehr rabiate Methode angewandt, die ich hier im Blog nicht posten möchte.
      Was sind Weidenfässer? Nichts anderes als Holzfässer, an denen, damit sie zusammenhalten, ringförmig Weidenzweige angepasst wurden, anstatt Metallringe. Metall war ja im Kriege bekanntlich Mangelware.
      Die Weidenzweige wurden plattgewalzt, nass gemacht und auf den Fässern befestigt. Beim Trocknen zogen sie sich zusammen und stabilisierten das Holzfass. An diesen Ringen, die etwas hervorstanden, konnte ich als kleiner Junge gut hochklettern. Nur an diesem einen trockenen Sommertag und geringem Wasserstand in der Tonne musste ich noch weiter hoch klettern und fiel dann hinein. Den Rest kennst du ja. 🙂
      LG Alexander

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    2. decordoba1

      Es ist umgekehrt, sie sind nachtaktiv. Wenn sie schon tagsüber herumrennen, fühlen sie sich ungestört und sind nicht mehr scheu.

      Ich war Schichtarbeiter in der Industrie. Wir hatten am Vorplatz Müllsammel-Container aus Holz – oben offen. Der Müll samt den Essensresten wurde dort gelagert – ein Rattenparadies. Sie hatten unten Löcher in den Container genagt, so kamen sie hinein.

      Diese Ratten waren dick und fett. Damals hatten wir noch viel Personal und wir waren mit der Arbeit nicht ausgelastet. Ein Kollege hat aus Zeitvertreib die Ratten gejagt. Die Ratten flüchten immer entlang dem Gebäude. Er legte ein 10 Zentimeter Rohr ganz nahe an das Gebäude. Ein Ende hat er mit einem großen Plastiksack ausgestattet. Dann schlug er mit einem Gegenstand an den Container. Die Ratten flüchteten und liefen entlang der Mauer – hinein in das Rohr und waren im Sack gefangen. Der Rest wird nicht beschrieben….

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  3. Elisabeth Berger

    Eine interessante Geschichte und ich bin auch sehr froh, daß dich der alte Bauer rausgezogen hat! War aber sehr knapp, gell. Gut, daß du uns erhalten geblieben bist😃
    Die wilden Ratten sind gefährlich, sie können relativ weit springen. Wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen, greifen sie an. Sie haben wenig mit den sog. Laborratten gemein, die wir als Haustiere halten. Bei den Großeltern auf dem Bauernhof, gingen oft mehrere Männer in den Keller, wenn die Ratten überhand nahmen. Sie waren mit Kohlenschaufeln und Mistgabeln bewaffnet, um die Ratten zu dezimieren. Sogar den standfesten Männern war die Sache nicht geheuer und ich denke, daß sie ein wenig Schiß hatten😊 Opa sagte auch, wir sollen uns vor den Bisamratten (sog. Bachratzen), in acht nehmen, die können sehr ungemütlich werden, wenn sie sich bedrängt fühlen oder Nachwuchs haben.
    Die Ratten sind sehr soziale Tiere. Ich werde nie vergessen, wie unsere Ratte Tom seinen kranken Kumpel gefüttert hat, er war immer an seiner Seite. Als unser Kranker eingeschläfert werden mußte, war Tom sehr traurig. Außerdem sind Ratten sehr schmusig und kuscheln gerne.
    Dein Rattengedicht ist großartig😂
    LG Elisabeth

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  4. Die Ratte ist wohl ein Realist, sie stellt das pure Leben dar, genau wie die Kakerlake. Beide Arten besitzen extreme Zähigkeit und überleben unter widrigsten Bedingungen. Bakterien und Viren zum Teil auch. Es geht wohl auch nicht darum diese Wesen zu lieben, aber respektieren sollte man sie, wie dieser Beitrag einem Beispielhaft vor Augen hält 😉

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